Mein Leben: Nach Assads Sturz (Deutsch-Syrerin)
Mein Leben hat sich am Tag des Sturzes von Assad grundlegend verändert, obwohl ich schon lange vor diesem Tag in Deutschland lebte. Die Ereignisse in Syrien haben einen tiefen Riss durch meine Identität gezogen, eine Identität, die immer schon zwischen zwei Welten geteilt war: der deutschen, in der ich aufgewachsen bin, und der syrischen, die in meinem Herzen weiterlebt.
Die Zerrissenheit zwischen zwei Welten
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, doch meine Eltern, und damit meine Wurzeln, liegen in Syrien. Unsere Familienbesuche waren immer mit einer Mischung aus Freude und Wehmut verbunden. Die Freude über das Wiedersehen mit der Familie, das Erleben der syrischen Kultur und Gastfreundschaft, gepaart mit der Beklemmung, die man als Deutscher in einem Land spürte, das man nicht wirklich verstand, das aber dennoch so untrennbar mit der eigenen Identität verbunden war.
Vor dem Sturz: Ein Leben in zwei Kulturen
Vor Assads Sturz war diese Zerrissenheit eine Art stilles Nebeneinander. Ich bewegte mich zwischen zwei Welten, fühlte mich in beiden irgendwie zuhause, und doch auch irgendwie fremd. Ich sprach fließend Deutsch und Arabisch, feierte Weihnachten und das Opferfest, verstand die deutsche Pünktlichkeit und die syrische Gastfreundschaft. Es war eine reiche, aber auch anstrengende Balance.
Der Sturz und seine Folgen: Ein Schockzustand
Der Sturz Assads war für mich ein Schock, ein Tiefpunkt. Die Bilder aus dem Bürgerkrieg, die Berichte über Gewalt und Zerstörung – all das traf mich mit voller Wucht. Plötzlich wurde die Ferne greifbar, die Sehnsucht nach der Heimat zu einem unerträglichen Schmerz. Meine Familie, meine Verwandten, meine Freunde – alle waren plötzlich in Gefahr.
Angst, Unsicherheit und der Kampf um Informationen
Die Unsicherheit war unerträglich. Ständig versuchte ich, an Informationen zu gelangen, um den Verbleib meiner Angehörigen zu erfahren. Das ständige Bangen, die Angst um ihre Sicherheit, nagte an meinen Nerven. Die Nachrichten aus Syrien waren bruchstückhaft, widersprüchlich und oft erschütternd.
Leben nach dem Sturz: Neuorientierung und Verarbeitung
Die Jahre nach Assads Sturz waren eine Zeit der Neuorientierung und der Verarbeitung. Ich musste lernen, mit der neuen Realität umzugehen, mit dem Verlust von Nahestehenden, mit dem zerstörten Land, das einmal meine Heimat war.
Die Bedeutung der Community
Die Unterstützung meiner Familie und Freunde in Deutschland war unerlässlich. Die Möglichkeit, mit anderen Deutsch-Syrern über meine Erfahrungen zu sprechen, war unglaublich wichtig. Gemeinsam konnten wir unsere Ängste, unsere Trauer und unsere Hoffnungen teilen. Diese Gemeinschaft gab mir Kraft und half mir, die Verarbeitung des Erlebten zu bewältigen.
Hoffnung und Ausblick: Die Zukunft gestalten
Heute, viele Jahre später, habe ich einen Weg gefunden, mit meiner Zerrissenheit zu leben. Ich engagiere mich für Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ich versuche, mein Wissen und meine Fähigkeiten zum Wohle der syrischen Flüchtlinge einzusetzen. Der Sturz Assads hat mein Leben für immer verändert, aber er hat mir auch gezeigt, wie wichtig es ist, für das einzustehen, woran man glaubt, und wie stark die menschliche Fähigkeit zur Anpassung und zur Hoffnung ist.
Die Zukunft Syriens ist ungewiss, aber ich halte fest an der Hoffnung auf Frieden, auf Wiederaufbau und auf eine Zukunft, in der meine Kinder auch von einer intakten syrischen Kultur erzählen können. Mein Leben als Deutsch-Syrerin ist komplex und facettenreich, geprägt von Verlust und Hoffnung, von Trauer und Zuversicht. Es ist eine Geschichte der Anpassung, der Resilienz und der Suche nach Identität in einer Welt voller Veränderung.